Jubelzone
JUBELZONE
Dramatische Geschichten aus der Zeit der politischen Turbulenzen in Mittel- und Osteuropa von 1968 bis zur Gegenwart.
von Jozef Banáš
Besprechung
Äußerungen der slowakischen Kritiker zum Roman „Jubelzone“
„Das faktographische Politikum des Buchs bringt unbestritten die Kennenlernwerte und Werte, die die Augen öffnen. Das Sammeln dieser Werte, das Bearbeiten der Informationen und deren Überschneidung mit den Schicksalen der Romanfiguren bildet eine originelle Komposition mit vielen klugen Verwicklungen und der Leser verbringt die Lesezeit in Erwartung, was das nächste Kapitel mit sich bringt und wie sich die Geschichte weiter dramatisiert.“
Ján Beňo
„Wäre das Buch ein reines Sachbuch, hätte es keine Chance gehabt, den Leser mit der Geschichte zu fesseln, wäre es rein belletristisch, hätte es uns um die Möglichkeit gebracht, durch diese spannende Art die Botschaft an die junge Generation weiterzureichen.“
Márius Kopcsay
„In der slowakischen Literatur fehlte ein ausdrucksvoller Gesellschaftsroman, der die Hintergründe unserer zeitnahen Geschichte und unsere von den Bürgern dieses Staates empfundene Einstellungen in seinen totalitären und weniger totalitären Formen zu ihm reflektieren würde. Banáš öffnete diese stinkende Dose.“
Martin Kasarda
„Banáš‘s fesselndes Erzählen erfüllt auch eine Bildungsaufgabe. Die persönliche Erfahrung des Autors aus den Zeiten seiner Diplomatenkarriere in Berlin und Wien ist offensichtlich. Ich bin davon überzeugt, dass er noch in die Diplomatie zurückkehrt, anderseits freue ich mich, dass er sie für eine gewisse Zeit verlassen hat und nach dem Titel „Idioten in der Politik“ „Die Jubelzone“ geschrieben hat.“
Ľubomír Feldek
„Es ist ein Roman über das komplizierte Leben, dass wir noch vor Kurzem gelebt haben, über die Zeiten, in denen wir andere Leben durchleben mussten, nicht die von uns selbst. Es scheint so, dass wir uns ungern an die Zeit „der Jubelzone“ erinnern, auch deshalb gibt es von dieser Sorte Bücher über die Totalität nur so wenig wie von Safran. Obwohl sich der Autor auf einem dünnen Eis bewegt und manchmal Salz in die noch nicht verheilten Wunden streut, weiß ich, dass das Buch in der Welt herumgehen wird.“
Jozef Mikloško
„Durch die persönlichen Schicksale skizziert Banáš ein beachtungswürdiges Teil unserer Geschichte, aus dem er die Rosinen herauspickt, die wir ansonsten aus dutzenden historischen Büchern herausholen müssten. Durch das Lesen dieses Buchs erleben sie gleich mehrere Leben von Deutschland über die Slowakei bis in die Ukraine.“
Gustáv Murín
„Wie „Idioten in der Politik“, so sollte auch „Die Jubelzone“ zur Pflichlektüre werden.“
Ivan Popovič
„Das Buch liest sich sehr gut, leicht, fast in einem Atemzug und der Leser gewinnt den Eindruck, dass er das Durchlebte wieder erlebt, genauso wie die durch andere Hinweise gebrachten Ereignisse und deren Atmosphäre. Die unumstrittenen allgemein-literarischen Qualitäten ordnen das Werk unter die interessantesten Lesestoffe über ‚die lebenden und bis heute noch brennenden’ Geschehnisse.
Anton Kret
„Das Buch wurde geschrieben im großen Stil, ich las es in einem Zug. Banáš leistete gute Arbeit.“
Anton Hykisch
„Das Werk ist durch seine Art in der slowakischen Literatur einzigartig. Der Autor selbst nannte es ‚Dokumentarroman‘ und in seinem Genre erinnert es an Mailers ‚Heere aus der Nacht‘ oder Capotes ‚Kaltblütig‘. Banáš gab der slowakischen Literatur Geschichte zurück, und damit auch ihre Dramatik und mit seiner Dokumentarlinie verlieh er ihr eine neue Dimension.“
Eduard Chmelár
„Dieser Roman stellt viele Menschen auf die Beine und nicht alle werden nach seinem Durchlesen dem Autor Beifall klatschen.“
Juraj Soviar
Kurztext / Annotation
Diese dramatische Geschichte schrieb zum größten Teil das Leben selbst. Es handelt sich um eine bis zu einem gewissen Maß autobiographische Geschichte des Protagonisten, des Slowaken Jozef Balaz, der im August 1968, ein paar Tage vor der sowjetischen Invasion in die Tschechoslowakei den deutschen Studenten, den Volleyballspieler Thomas Ankermann kennen lernte, der mit seiner Mannschaft in der Nacht von 20. auf den 21. August 1961 nach Deutschland zurückkehrte. In der gleichen Nacht kam über die sowjetisch-tschechoslowakische Grenze die Administrationskraft der Okkupationsarmee Alexandra ins Land, die aus Liebe zu Jozef, den sie in Kiew im Sommer 1968 kennen gelernt hatte, freiwillig kam, um im Kampf gegen die angebliche Konterrevolution den Tschechen und Slowaken zu helfen. Der Autor beschreibt das erste Mal in der slowakischen Literatur die Invasion basierend auf den Gefühlen und Ansichten eines damaligen sowjetischen Soldaten.
Jozef besuchte im Sommer 1969 Thomas in Neuwied in Deutschland und lud ihn ein, ein Jahr später ihn und seine Familie in Bratislava zu besuchen. Der eiserne Vorhang wurde jedoch im Frühjahr 1970 für zwanzig Jahre zugezogen. Die Freundschaft von Thomas und Jozef wurde unterbrochen. Jozef wurde als tschechoslowakischer Diplomat in die ehemalige DDR gesandt, Thomas lebte in Westberlin und gehörte zu den Sympathisanten von Rudi Dutschke. Später trat er in die Politik ein. Beide befanden sich auf der Suche nach einander und ahnen nicht, dass sie wortwörtlich nur ein paar Meter von einander entfernt wohnten. Getrennt waren sie indes durch die Berliner Mauer. Alexandra heiratete einen sowjetischen Leutnant, der während seines Einsatzes in Afghanistan starb. Alle drei Helden trafen sich im Jahr 2005 wieder unter unglaublichen Bedingungen. Thomas Besuch in Bratislava fand schließlich statt, auch wenn mit einer siebenunddreißigjährigen Verspätung.
Die Geschichte entstand aufgrund einer tatsächlichen Begebenheit, als die Tochter des Autors während ihres Aufenthaltes in München im Jahre 2005 den verloren geglaubten Freund des Vaters, Thomas, fand.
Im Hintergrund des Romans der Ukrainerin, des Deutschen und des Slowaken entwickeln sich die Ereignisse im Zeitraum von 1968 bis 2005 und die Lebensgeschichten der Hauptdarsteller: Die Invasion der Armeen des Warschauer Paktes in die Tschechoslowakei, die Studentenrevolte in Deutschland und in Westeuropa im Jahr 1968, die Proteste gegen den Krieg der USA in Vietnam, der Lockerungsprozess, die Verarbeitung der Nazivergangenheit auf der einen und der kommunistischen Vergangenheit auf der anderen Seite, die steigende Ohnmacht der veralteten Führung der Sowjetunion, der Tod von Breschnew, Andropov und Tschernenko, der Amtsantritt von Gorbatschow, die Sowjetische Perestroika, der versuchte Putsch in Moskau, der Amtsantritt von Jelzin und danach von Putin, das Ende der DDR, der Fall der Mauer, das Öffnen des Grenzübergangs Bornholmer Brücke, die Samtrevolution in der Tschechoslowakei, der Zerfall der Sowjetunion, die Teilung der Tschechoslowakei, die Wiedervereinigung Deutschlands, die Entstehung der Slowakischen Republik.
Inhaltsverzeichnis
Danke!
Vorwort Peter Pragal
PROLOG
Teil I
Kapitel I: KIEW 2005
Kapitel II: BERLIN (West) 1968
Kapitel III: KIEW 1968
Kapitel IV: NEUWIED 1968
Kapitel V: MOSKAU 1968
Kapitel VI: PRAG 1968
Kapitel VII: KIEW 1968
Kapitel VIII: WASHINGTON 1968
Kapitel IX: BRATISLAVA 1968
Kapitel X: PRAG 1968
Kapitel XI: KOKTEBEL (Krim) 1968
Kapitel XII: NEUWIED 1968
Kapitel XIII: BRATISLAVA 1968
Kapitel XIV: ZVOLEN (Slowakei) 1968
Kapitel XV: BRATISLAVA 1968
Kapitel XVI: MOSKAU 1968
Kapitel XVII: BRATISLAVA 1968
Kapitel XVIII: BRATISLAVA 1968
Kapitel XIX: USCHGOROD (Ukraine) 1968
Kapitel XX: BERLIN (West) 1968
Kapitel XXI: BERLIN (West) 1968
Kapitel XXII: KIEW 1968
Kapitel XXIII: NEUWIED 1968
Kapitel XXIV: BRATISLAVA 1969
Kapitel XXVKOLODNE (Ukraine) 1969
Kapitel XXVINEUWIED 1969
Kapitel XXVIIKOLODNE (Ukraine) 1969
Kapitel XXVIIINEUWIED / BRATISLAVA 1969
Teil II
Kapitel I: BRATISLAVA 1970
Kapitel II: BERLIN (West) 1970
Kapitel III: PREŠOV (Slowakei) 1970 - 1971
Kapitel IV: KOMSOMOLSK AM AMUR 1971
Kapitel V: BRATISLAVA 1971 – 1974
Kapitel VI: BERLIN (West) 1971 – 1972
Kapitel VII: PIESTANY (Slowakei) 1975
Kapitel VIII: BERLIN (West) 1972 – 1979
Kapitel IX: MOSKAU 1977
Kapitel X: PRAG 1977
Kapitel XI: BERLIN (West) 1981
Kapitel XII: MOSKAU 1979 / FEYZABAD 1982
Kapitel XIII: PRAG 1978
Kapitel XIV: MOSKAU 1982
Kapitel XV: BRATISLAVA 1977 - 1980
Kapitel XVI: BERLIN (West) / NEUWIED 1982 - 1983
Kapitel XVII: BRATISLAVA / PRAG 1982
Kapitel XVIII: MOSKAU 1982 - 1987
Kapitel XIX: BERLIN (Ost) 1983 - 1986
Kapitel XX: BERLIN (West) 1987
Kapitel XXI: BERLIN (Ost) 1987
Kapitel XXII: MOSKAU 1988
Kapitel XXIII: PRAG / BERLIN (Ost) 1987
Kapitel XXIV: PRAG 1987
Kapitel XXV: BERLIN (Ost) 1987
Kapitel XXVI: BERLIN (Ost) / MOSKAU 1989
Kapitel XXVII: BERLIN (Ost) 1989
Kapitel XXVIII: BERLIN (Ost) / FRANKFURT (Oder) 1989
Kapitel XXIX: BERLIN (Ost) 1989
Kapitel XXX: BERLIN (Ost) 1989
Kapitel XXXI: BERLIN (Ost) / BRATISLAVA 1989
Kapitel XXXII: BERLIN (Ost) 1989
Teil III
Kapitel I: PRAG / BRATISLAVA 1989
Kapitel II: BRATISLAVA / PRAG 1989
Kapitel III: MOSKAU 1989 - 1991
Kapitel IV: BERLIN (Ost) 1989
Kapitel V: BRATISLAVA 1989
Kapitel VI: BRATISLAVA 1989 - 1991
Kapitel VII: BERLIN 1991
Kapitel VIII: WIEN / PRAG 1992
Kapitel IX: MOSKAU / KIEW 1991 - 2005
Kapitel X: BRATISLAVA 1992 - 1999
Kapitel XI: PRAG / BRATISLAVA 1992 - 1998
Kapitel XII: BERLIN 1990 - 2005
Kapitel XIV: BRATISLAVA 2004
Kapitel XV: KIEW 2005
Kapitel XVI: BRATISLAVA 2005
Kapitel XVII: BERLIN / BRATISLAVA 2006
Kapitel XVIII: KOLODNE 2006
EPILOG
Zitat aus einer Besprechung
Warum Sie Die Jubelzone lesen sollten:
Der Zufall wollte, dass ich vor Kurzem das Buch Jubelzone von Jozef Banáš in die Hände bekam, und ich war überwältigt. Von erster Seite an war ich völlig gefesselt von einem Buch, das zum Literaturereignis der Gegenwart werden sollte; und fragen wir uns, warum dies nicht geschah. Die Jubelzone ist ohne große Übertreibung DAS Buch, auf welches die tschechoslowakische Gesellschaft zwanzig Jahre lang wartete.
Wie viele Bücher sind denn erschienen, welche die letzten zwanzig Jahre des kommunistischen Regimes beschreiben würden – und das in mehreren Ländern zugleich: DDR, BRD, CSSR und UdSSR. Die Jubelzone ist wortwörtlich ein „mitteleuropäisches“ Buch, das die Geschichte von vier Ländern zusammenfügt. Ein solches Buch, wage ich zu sagen, wurde noch nicht herausgegeben. Wir, Tschechen, können uns schämen, dass keiner der tschechischen Schriftsteller genügend Ehre und Mut hatte, dies zu schreiben – ein Slowake musste es tun – und gleichzeitig können wir froh sein, dass es gerade er schrieb. Lasst uns jetzt ein wenig über Jozef Banáš sagen.
Seinen Namen nahm ich das erste Mal ungefähr vor einem halben Jahr im Zusammenhang mit seiner berühmten Tochter Adela Banášová in Kenntnis, welche die beliebte Fernsehsendung Tschechoslowakischer Superstar moderierte. Adela Banášová sprach über ihren Vater so nett, dass ich zu googeln versuchte und in seiner interessanten Vergangenheit stöberte. Diese umfasst eine diplomatische und darauffolgende politische Karriere vor und nach November 1989. Auf seinen diplomatischen Stationen begegnete er weise Menschen, aber natürlich auch solche, die ideologisch infiziert waren. Wie es im Motto des Buches heißt – Die Vergangenheit jedermanns erkennst Du daran, wie er sich heute verhält.
In diesem Roman verbirgt sich ein Schatz. Eine einfache, fast eine abgedroschene Geschichte: Ein junger Slowake lernt bei einem sportlichen Ereignis im Jahr 1968 in der Ukraine eine junge Ukrainerin kennen, es wird Liebe auf den ersten Blick, er macht ihr ein Kind, und nach der Invasion fünf befreundeter Armeen stellt sich eine unüberwindbare Barriere zwischen sie. Sie lebt weiter ihr eigenes Leben und er seins. Ebenso ein junger Westdeutscher, der sich mit dem jungen Slowaken anfreundete, musste auf der anderen Seite der Barriere bleiben. Der junge engagierte linksorientierte Aktivist nimmt in der Zwischenzeit aktiv am öffentlichen Leben des demokratischen Deutschlands teil. Die Kluft zwischen den drei Menschen von einem kleinen Kontinent scheint unüberwindbar zu sein. Wie drei verschiedene Universen spielen sich kleine und größere Dramen ab, die bildhaft und mit chirurgischer Genauigkeit die Schönheit und auch den Gräuel der damaligen Zeit darstellen.
Mitteleuropa und die Sowjetunion der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts gleichen einem Aquarium – ein in sich gekehrtes, schwerfälliges und korrumpiertes System, das weder Energie noch Mittel verfügte, um die elementaren Bedürfnisse seiner Bevölkerung zu befriedigen. Jozef Banáš zerstört jedoch gleichzeitig idyllische Vorstellungen vom Westdeutschland, stellt es mehr oder minder als ein Marionettenregime der USA dar, oder zumindest solchen Eindruck gewann ich aus seiner Schilderung der damaligen Situation in der BRD. Dies alles bildet die Grundlage für gleich mehrere sehr eindrucksvolle Lebensgeschichten, die an sich in jeglicher Umgebung bestehen würden. Eine vom unterdrückten freien Geist der Menschen und von einem durch die Berliner Mauer getrennten Volk gekennzeichnete Umgebung verleiht den Geschichten eine weitere Dimension.
Jozef Banáš war als Diplomat und Politiker tätig – und dies zeichnet sich im großen Ausmaß an seinem Buch ab. Teil des Romans sind „Rekonstruktionen“, oder vielleicht eher fiktive Rekonstruktionen einiger Ereignisse, die den Rahmen der damaligen Zeit bildeten. Verhandlungen des sowjetischen Botschafters mit dem amerikanischen Präsidenten, Schilderung der Verhandlungen im Kreml und weitere Passagen sind interessante Würze, ohne die das Buch jedoch locker auskommen würde. Ich denke, Jozef Banáš konnte zwei Gründe dafür haben, diese Abschnitte im Buch zu belassen: Erstens – es ist für den Leser attraktiv, den amerikanischen Präsidenten als einen einfachen Fan des amerikanischen Footballs zu sehen, oder Leonid Breschnew, wie er mit der Invasion in die CSSR zögert. Vielleicht aber wollte Jozef Banáš jüngeren Lesern auf eine attraktive Art und Weise die Hauptdarsteller der damaligen politischen Welt vorstellen. Auch wenn ich das Auslassen dieser Passagen ruhig verschmerzen würde, denke ich nicht, dass sie dem Buch deutlich schaden würden. Das Buch erinnert ein wenig an ein Drehbuch, wenn wir für einen Augenblick die fesselnde Geschichte verlassen, um der damaligen Zeit, welche dem erzählten Bild den Rahmen verleiht, das Wort zu geben.
Beim Lesen dieses außerordentlich interessanten Buches hatte ich ein kleines Problem, das ich bisher in keiner Rezension (einschl. slowakischer), die ich lesen konnte, erwähnt fand. Das Buch ist als eine Geschichte von 1968 bis 2008 konzipiert. Im letzten Teil widmet sich somit der Autor der Zeit nach der Wende vor allem in der Slowakei. Obwohl es ein interessantes und kontroverses Thema ist, das auf seine Weise hinter die Geschichte einen absurden Schlusspunkt setzt, wirkt es auf mich wie verlängerte Soße. Zwar werden die wahre Geschichte des Bösewichts Jan Winter und sein wahrer Charakter enthüllt (was gerade den ausgezeichneten Schlussstrich des ganzen Buches ausmacht), sonst aber widmet sich Jozef Banáš zu viel der slowakischen Politik nach der Wende. Ich denke, dass dies an sich ein ergiebiges Thema für einen selbstständigen Roman ist, hier wirkt es eher flach und zweckmäßig.
Das Buch ist dank seinem Thema recht kontrovers. Insbesondere da es auch über Menschen erzählt, die weiterhin aktiv am slowakischen öffentlichen Leben teilnehmen. Und so mehren sich Spekulationen, wer eigentlich Jan Winter ist – und glauben Sie mir, die Antwort auf diese Frage zu finden ist gar nicht so schwer.
Ich bin überzeugt, dass Die Jubelzone ein Buch ist, welches jeder Wähler lesen sollte, bevor er seine Stimme in die Urne wirft. Ich würde es allen Kindern in der Grundschule empfehlen, wo das Buch beim Unterricht moderner Geschichte als Lernhilfe dienen könnte. Jozef Banáš ist ein erfahrener Schriftsteller, dem tschechischen Leser jedoch unbekannt. Schade.
Zu Beginn der Kritik schrieb ich: Fragen wir uns, warum das Buch zu keinem Literaturereignis wurde. Ich suchte nach Buchkritiken, und Google fand nur eine einzige – in der Zeitschrift Tvar und dann eine kurze Annotation auf der Internetseite Novinky.cz. Respekt, Literární noviny, Lidové noviny, iDnes und weitere Server ergaben überhaupt keine Suchtreffer. Über das Buch wird nicht gesprochen, nicht geschrieben, als ob es gar nicht existieren würde. Und so ist es mit fast allem, an dem was daran ist. Zeitungen und Zeitschriften überbieten sich in Rezensionen über Dan Browns neuestes Buch, das zum hundertachtundfünfzigsten Mal aufs Gleiche kommt – mit keinerlei Änderungen in Stil, Sprache oder Aufbau der Geschichte. Die Jubelzone, welche in der Slowakei zum Buch des Jahres 2008 gewählt wurde, ist bei uns ein Aschenputtel, das von kaum jemandem wahrgenommen wird.
Die Jubelzone ist ergreifend und erinnert Sie an Zeiten, in denen Freiheit keineswegs zu den Selbstverständlichkeiten gehörte. Dies sind die wichtigsten Gründe, warum Sie das Buch lesen sollten.
Tomáš Fojtík, Pankaplan
Biografische Anmerkung zu den Verfassern
Jozef Banáš ist am 27. September 1948 in Bratislava geboren. Im Jahr 1972 beendete er das Studium an der Wirtschaftshochschule in Bratislava. Er war Diplomat in der DDR (1983 bis 1988 als Presseattachée), und in Österreich (1990 bis 1992 als stellvertretender Botschafter der Tschechoslowakei). In den Jahren 2002 bis 2006 wirkte er als Abgeordneter des Nationalrates der Slowakischen Republik und wurde zum Vizepräsidenten der Parlamentarischen Versammlung der NATO gewählt.
Jozef Banáš hat über zweihundert Kommentare, vier TV-Inszenierungen, ein Filmdrehbuch, drei Theaterkomödien und sieben Bücher geschrieben. Die Satire Idioten in der Politik (2007), die Doku-Romane Jubelzone (2008) und Stoppt Dubček! (2009) sind Bestseller in der Slowakei geworden.
Die Jubelzone erhielt in der Slowakei die Auszeichnung »Buch des Jahres 2008« und erschien im Jahr 2009 auch in der Tschechischen Republik.
Text des Buchrückseite
Der slowakische Diplomat Jozef Banáš erzählt die dramatische Geschichte aus der Zeit der politischen Turbulenzen in Mittel- und Osteuropa ab 1968.
„Die dramatisch zugespitzten Lebensläufe der Protagonisten, eingebettet in die jüngere Historie Mittel- und Osteuropas, ermöglichen es vor allem jüngeren Lesern, rational und emotional nachzuvollziehen, was sich seit Ende der 60er Jahre zwischen Moskau, Kiew, Bratislava, Prag und Berlin bis zum Fall des Eisernen Vorhangs ereignet hat.“ Peter Pragal, in seinem Vorwort
In der Slowakei ausgezeichnet als »Buch des Jahres 2008«
Einführung oder Vorwort
Diplomaten neigen häufig dazu, nach der Pensionierung ihre Erfahrungen und Erlebnisse aufzuschreiben und als Buch zu veröffentlichen. Manche schildern Geschichte und Menschen der Länder, in denen sie Dienst taten. Andere beschränken sich auf die Analyse politischer Vorgänge. Und wieder andere stellen sich selbst in den Mittelpunkt und erzählen ausschweifend ihr berufliches Leben. Jozef Banáš wählte keine dieser publizistischen Formen. Er schrieb einen Doku-Roman, in dem er Zeitgeschichte mit dem Schicksal von teils fiktiven, teils authentischen Personen geschickt verknüpft.
Die dramatisch zugespitzten Lebensläufe seiner Protagonisten, eingebettet in die jüngere Historie Mittel- und Osteuropas, ermöglichen es vor allem jüngeren Lesern, rational und emotional nachzuvollziehen, was sich seit Ende der 60er Jahre zwischen Moskau, Kiew, Bratislava, Prag und Berlin bis zum Fall des Eisernen Vorhangs ereignet hat. Und in welche Konflikte Menschen gestürzt wurden, die unter den Bedingungen von kommunistischen Diktaturen leben mussten. Wie sie sich beugen und lavieren mussten und trotzdem versuchten, ihre Selbstachtung zu wahren.
Hauptfiguren in diesem Polit-Thriller sind die Ukrainerin Alexandra Josifowna, genannt Sascha, ein Westdeutscher mit Vornamen Thomas und der mit ihm befreundete Slowake Jozef Balaz, der unverkennbar die Züge des Autors trägt. Ihre an persönlichen Schicksalsschlägen reichen Lebensgeschichten spiegeln die Erfahrungen wider, die viele Menschen ihrer Generation diesseits und jenseits des Eisernen Vorhangs gemacht haben: Verstrickungen in den politischen Extremismus im Westen, Machtkämpfe, Opportunismus und Treuebruch im Osten. Aber auch Beispiele von selbstlosem Handeln und grenzüberschreitender lebenslanger Freundschaft.
Ich habe Jozef Banáš in den 80er Jahren in Ost-Berlin kennengelernt. Ich war damals DDR-Korrespondent des Hamburger Magazins »Stern«. Zugleich war ich in Prag und anderen Hauptstädten des Ostblocks akkreditiert. In der Botschaft der damaligen CSSR bekam ich das Visum für meine Reisen an die Moldau. Bei dieser Gelegenheit habe ich mich regelmäßig mit dem Presse-Attaché unterhalten. Jozef Banáš war anders als die Funktionäre aus dem DDR-Außenministerium: Locker und offen. Einer, der seine kritische Meinung nicht hinter Phrasen versteckte. Später sind aus den beruflichen auch private Kontakte geworden.
Der lebenskluge Diplomat, der Apparatschiks herzlich verabscheute, hat in seinem Gastland genau hingeschaut, wie ein guter Journalist, der er auch war. Die Schilderung des alljährlichen Volksaufmarsches am 1. Mai, die dem Buch den Titel gab, ist durchzogen von bissiger Ironie. Dem Leser wird die Verlogenheit des inszenierten Spektakels vor Augen geführt, bei dem die Mächtigen auf der Tribüne den Untertanen huldvoll winkten, während diese ihre Führer mit vorgegebenen Parolen hochleben ließen. Aber kaum waren die Jubler aus dem Blickfeld der Fernsehkameras verschwunden, war es mit der Begeisterung für den realen Sozialismus vorbei. Am Ende warfen sie ihre Transparente in bereit gestellte Container, die gleich nach dem Ende des Umzugs zur Müllkippe gebracht wurden.
Köstlich auch zu lesen, wie Balaz alias Banáš mit seinem Hang zu kleinen Provokationen Volkspolizisten in Verlegenheit brachte. Als wohl einziger Botschaftsangehöriger in Ost-Berlin fuhr er einen Trabant, einen Zweitakter aus Zwickau mit rotem Diplomaten-Kennzeichen. Es bereitete ihm großes Vergnügen, wenn er bei Verkehrsverstößen gestoppt und vom Uniformierten als vermeintlicher DDR-Bürger barsch angeschnauzt wurde. Kaum hatte er dem verdutzten Ordnungshüter seinen roten Ausweis gezeigt, murmelte der Entschuldigungen und schlich davon.
Viele Abschnitte der »Jubelzone« lesen sich wie ein Geschichtsbuch. In knappen Szenen lässt der Autor Politiker, Militärs und Geheimdienstler zu Wort kommen, wie sie Entscheidungen von historischer Tragweite vorbereiten und treffen. Das beginnt im Moskauer Kreml beim Abwägen des Für und Wider beim Einmarsch der Warschauer-Pakt-Truppen 1968 in die Tschechoslowakei und endet bei der Entmachtung von Michail Gorbatschow und dem Zerfall der Sowjetunion. Einige Dialoge, die zur Zeit des »Prager Frühlings« spielen, sind gut recherchiert und wirken authentisch. Andere sind fiktiv, kommen aber der historischen Realität ziemlich nahe. Überdies fesselt das Buch mit der Wiedergabe von Begebenheiten aus dem diplomatischen Alltag, wie sie nur jemand beschreiben kann, der dabei gewesen ist.
Die Protagonisten des Buches sind verwoben mit Ereignissen, die einst Menschen aufrüttelten, in Atem hielten oder Widerspruch provozierten. Die Studentenunruhen in West-Berlin, der RAF-Terror in Westdeutschland, Willy Brandts Kniefall in Warschau kommen ebenso vor wie der Rückzug der Roten Armee aus Afghanistan, Gorbatschows Reformpolitik, die friedliche Revolution in der DDR, die »samtene« in der Tschechoslowakei und der Fall der Berliner Mauer.
Jozef und Sascha sind keine Heldengestalten. Sie erleben die Ohnmacht des Individuums in totalitären Gesellschaften. Sie leiden unter Korruption, Misswirtschaft und der Unfähigkeit von Funktionären. Sie begehen Irrtümer und brauchen lange, um Lügen und Propagandabilder zu durchschauen. Sie sind der Versuchung ausgesetzt, Geheimdiensten ins Netz zu gehen und Verrat an Mitmenschen zu üben. Und sie fühlen sich gedemütigt, wenn sie um einiger Vorteile willen Kompromisse eingehen. Aber sie haben nie den Willen aufgegeben, anständig zu bleiben und nicht dem Beispiel der vielen »Wendehälse« nachzueifern, die nach der Umwälzung in post-sozialistischen Staaten skrupellos an ihren Karrieren arbeiteten.
Die Schlussszene, bei der Jozef und Sascha, einst ein Liebespaar und seit langem an andere Partner gebunden, in einem ukrainischen Dorf zusammentreffen, ist mit einer einfühlsamen Zartheit geschrieben, die anrührt.
„Jetzt reden wir schon seit zwei Tagen“, lässt der Autor seine Romanfigur Jozef zu seinem Freund Thomas sagen. Sie hatten sich, bedingt durch die Wirren der europäischen Teilung, Jahrzehnte nicht gesehen. „Aber wie soll man in zwei Tagen die ganze Geschichte Mitteleuropas durcharbeiten.“ Was sein anderes Ich im Buch für unmöglich hält, ist dem Autor auf lesenswerten 488 Seiten durchaus gelungen.